
Europas letzte große Fußwallfahrt führt vom schweizerischen Fricktal nach Todtmoos
Wenn Gebete die Schritte begleiten...
26.05.2025: Wenn Du im Morgengrauen einen Zug von rund 200 Menschen durch den Südschwarzwald pilgern siehst, dann kann es sich nur um die Hornusser Wallfahrt handeln. Um den Ursprung dieser bis heute so aktiv gelebten Wallfahrtstradition zwischen Todtmoos und dem schweizerischen Fricktal zu ergründen, müssen wir weit in die Vergangenheit reisen: Wir schreiben das 13. Jahrhundert. Die Region rund um den Hochrhein ist von der Pest geplagt. Die Fricktaler Gläubigen geloben damals, dass sie jedes Jahr nach Todtmoos, dem Ort der Marienerscheinung, pilgern würden, wenn sie nur von der todbringenden Krankheit verschont blieben. So geschah es. Und so machen sich auch heute noch jedes Jahr am Montag vor Pfingsten zahlreiche Gläubige von Hornussen auf zur Marienwallfahrt. Es ist eine Strecke von 42 Kilometern quer durch den Südschwarzwald, die den Pilgerinnen und Pilgern sowohl körperliche Anstrengung als auch geistige Einkehr, unvergessliche Natureindrücke und ein faszinierendes Gefühl der Verbundenheit verspricht. Eine davon schildert hier ihre Eindrücke:
Es ist 3:15 Uhr in Bernau, stockdunkel, keine Straßenlaterne brennt. Elvira Köpfer nimmt ihren gepackten Rucksack und fährt mit einigen anderen Wallfahrerinnen und Wallfahrern und Pater Lukas aus dem Nachbarort Todtmoos in die Schweiz. Das Ziel oder besser gesagt der Start ihrer heutigen Pilgerreise ist der kleine Ort Hornussen im Kanton Aargau. Hier beginnt sie: eine der ältesten und bedeutendsten Fußwallfahrten Europas. Elvira und die weiteren mitgereisten Vertreter der Seelsorgeeinheit Todtmoos-Bernau treffen sich nun mit den Schweizer Wallfahrern, um die spirituelle Wanderung gemeinsam zu starten.
Nach einer kurzen Stärkung mit Kaffee und Hefezopf brechen die Pilger um 5:00 Uhr morgens im Pfarrhaus auf. Gewandert wird in Zweierreihen. Die Pilger beten abwechselnd die verschiedenen Rosenkranzgesätze, ganz meditativ, nur bei steilen Aufstiegen gibt es eine Gebetspause. Elvira nimmt sich auf den Weg innerlich jedes Mal ein besonderes Anliegen oder auch einen Dank für etwas in ihrem Leben mit. „Die Wallfahrt ist immer wieder eine besondere Erfahrung. Man kommt mit anderen Gläubigen ins Gespräch und durch die gemeinsame Wegstrecke und Gebete wird unser Glaube erfahrbar.“

Fast geschafft... Die Pilger laufen hinauf zur Kirche vorbei an den historischen Wallfahrtsständen.


Im Morgengrauen führt der Pilgerweg nach der Grenzüberschreitung bei Laufenburg durch die aussichtsreiche Landschaft vorbei an den Ortsteilen von Murg. In Segeten, einem kleinen Ortsteil von Görwihl, gibt es einen einstündige Mittagsrast, bevor es zur Freiwaldkapelle oberhalb von Herrischried weitergeht. Unterwegs schließen sich noch einige Menschen dem Pilgerzug an, sodass in Todtmoos meist über 200 betende, erschöpfte aber sehr glückliche Menschen von der Gemeinde und Pater Roman herzlich empfangen werden. Nach dem langen Marsch wird den Pilgern eine Fußwaschung neben der Kirche angeboten – ein traditionelles Zeichen der Gastfreundschaft und gleichzeitig ein berührender Moment, der den Pilgern hilft, die Strapazen des langen Weges hinter sich zu lassen.
„Die Pilger kommen seit über 750 Jahren nach Todtmoos, um das Gnadenbild zu sehen. Unser Marienwallfahrtsort ist ein Ort der Kraft, der Stärke und der Hoffnung."
Todtmoos selbst hat eine besondere Entstehungslegende, die ebenso den Ursprung der Wallfahrt erklärt: Dem Leutpriester Dietrich von Rickenbach erschien die Gottesmutter Maria im Traum. Sie trug ihm auf, im „toten Moos“ eine Tanne mit einem Kreuz zu fällen. An deren Spitze errichtete er eine Kapelle, die im Laufe der Zeit zur heutigen barocken Wallfahrtskirche ausgebaut wurde. Diese beherbergt ein beeindruckendes Gnadenbild der Maria aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Um die einstige Kapelle herum bildete sich im Laufe der Zeit das Dorf. In alten Pilgerbüchern wird von zahlreichen Wundern berichtet, die sich zugetragen haben sollen, nachdem die Menschen an diesem besonderen Kraftort gebetet hatten. Der kleine Ort entwickelte sich so zu einem der bedeutendsten Wallfahrtstätten im südwestdeutschen Raum und darüber hinaus bis ins Elsass und die Nordschweiz.

"Maria von Todtmoos lässt niemanden hilflos.", verspricht die rund 3 m hohe Marienstatue aus Sandstein, die vom Todtmooser Kirchberg liebevoll auf den Ort hinabblickt.
Für Elvira und viele andere aber endet der heutige Weg nicht in der Wallfahrtskirche. Sie hat noch ein anderes Ziel: die imposante Marienstatue auf dem nahegelegenen Kälberwald. Auf dem Weg dorthin begegnen die Pilger noch einem anderen traditionellen Zeugnis der Wallfahrtsgeschichte: dem Todtmooser Lebkuchen. Einst verkauften ihn Bäcker und Frauen des Ortes als stärkende und langhaltbare Wegzehrung an den historischen Wallfahrtsständen vor der Kirche. Der fein-würzige Lebkuchen, der auch als „Pilgerbrot“ bekannt ist, wird nach überliefertem Rezept von 1900 bis heute in zwei Todtmooser Bäckereien hergestellt und verkauft. Diesem Gebäck verdanken die Todtmooser Bürger auch ihren sympathischen Beinamen "Lebküchler".

Übrigens:
Die Gemeinde Todtmoos lädt herzlich dazu ein, die Ankunft der Pilger am Nachmittag des 2. Juni 2025 zu erleben, die traditionsreiche Atmosphäre zu spüren oder sich vielleicht sogar selbst mit auf den Weg zu machen. Denn diese Wallfahrt ist offen für alle: für Gläubige, Naturfreunde, Neugierige und Suchende - für alle, die einmal selbst erfahren möchten, was entsteht, wenn man gemeinsam geht.
Und die Wallfahrt der Hornusser ist natürlich nicht die einzige, die jährlich zahlreiche Gläubige nach Todtmoos führt. Traditionell finden jedes Jahr noch viele weitere Pilgerwanderungen aus den umliegenden Orten zur Wallfahrskirche statt, z.B. immer am Pfingstmontag von Rickenbach über Herrischried nach Todtmoos. An diesem Tag werden die erschöpften Pilger sogar mit Blasmusik in Empfang genommen und zur Wallfahrtskirche begleitet.
Die genauen Termine erfährst Du hier.